Zeitkommentare

Hier schreibe ich, Bernd Kurt Goetz, regelmäßig, aber in unregelmäßigen Abständen, meine persönliche Meinung zur Welt, einschließlich politischer Entscheidungen.

Wer mir antworten möchte oder in Gedankenaustausch treten, muss dies per Mail tun: kabagoetz@gmx.de.

Die Texte hier zeichnen sich im Gegensatz zu manchen anderen Darstellungen auf der Literaturwebsite dadurch aus, dass sie nicht geschwätzig sind und strikt zielorientiert.

Dritter Blog

Vorsichtige Hoffnung

Wenn es im Oktober 2023 angesichts der Vorgänge zwischen Israel und Palästina und auf den Straßen Berlins in deutschen Medien heißt Antisemiten dürfen keine Deutschen werden, so weiß jeder, was damit gemeint ist: Wir sollten niemandem Bleiberecht und Staatsbürgerschaft in Deutschland gewähren, der Judenhass kultiviert, auslöst oder gar praktiziert. Als diese Forderung in Medien artikuliert wurde, konnte ich sogar einige Sätze von Frau Strack-Zimmermann ertragen. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich so was noch erlebe! Das nährt die Hoffnung, dass die Risse, die durch das Land laufen, wieder gekittet werden können.

Zurück zum NichtBleibeRecht und Verweigerung der Staatsbürgerschaft für Antisemiten: Es gibt auch welche, die sagen, dass man in Deutschland nichts braucht, was schon genügend vorhanden ist. In diesem Sinne brauchen wir auch keine Leute hier, die nicht arbeiten wollen, die lediglich in die Sozialsysteme einwandern wollen, die nicht deutsch sprechen lernen wollen und nicht Deutsch schreiben und lesen wollen und brauchen auch keine, die Menschen überfallen und Frauen belästigen. Von solch allen haben wir wahrlich schon genügend Personen im Land, wie sie auch immer hierher gelangten. Ich zum Beispiel durch Geburt. Aber, um zu sagen, was wir brauchen, wollen und nicht brauchen, müssen immer erst Dinge geschehen, die einfach nur katastrophal sind. Und oft reicht auch das nicht. Diesmal allerdings scheint es mal zu reichen. Vorübergehend. Doch es sollte sich keiner und keine zu früh freuen.

Zweiter Blog – September 2023

Nachdenken über einen Fest- und Feiertag

Am 26. September 2023 ist der erste Jahrestag der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline gewesen. Das war für das deutsche Volk wie eine Befreiung. Endlich ist die Trennung vom russischen Gas und vom russischen Öl eine gesicherte Grundlage, die deutsche Zukunft aufzubauen. Schon Jahrzehnte gärte im Volk der Wunsch, die wahre und richtige Quittung für die Verbrechen im Dritten Weltkrieg zu bekommen. Nun ist es so weit. Der Ruf „Geschafft!“ ersetzt die Aufmunterung „Wir schaffen das!“ Personen, die sich mit besonderem Eifer für dieses Ziel engagieren, erhalten von den USA, die die politischen und moralischen Werte der westlichen Welt verwalten und behüten, die Gewähr, ihren Besitzstand nicht nur wahren zu können sondern auch zu erhöhen. Diese Geste der Freunde aus Übersee ist nur recht und billig und wird als Gabe von der Mehrheit der deutschen Staatsbürger an die Besonderen unter ihnen begrüßt. Bei manchen Menschen bleibt Verwunderung, dass die erfolgreiche Sprengung dieser verhängnisvollen Pipeline weder in den Tagen, nachdem es geschehen war, öffentlich gewürdigt wurde, noch jetzt, wo der erste Jahrestag dieses Ereignisses eigentlich zu großen Feierlichkeiten drängt, kein Fest stattfand. Aber wenn man sich intensiver mit der Sache beschäftigt, leuchten schon einige Gründe ein, warum es an öffentlichen Würdigungen mangelt. Zum einen sind die Helden, die diese Pipeline außer Betrieb setzten, nicht wirklich bekannt, es geistern zwar einige Namen von Personen, Institutionen, Organisatoren oder Staaten umher, aber man weiß nichts Genaues, und zum anderen möchte man schon mit denen diese Tat feiern, die sie wirklich vollbrachten. Wirkliche Helden für wirkliche Ereignisse. Die Helden sollen heraus treten aus dem Nebel ihrer Bescheidenheit. Freilich begleiten diese Vorgänge einige neidische Blicke aus dem Westen in Richtung Osten, weil man sich sagt, dass die vorübergehende Absenkung des Lebensniveaus für einige Jahre, die deutsche Industrie verliert derzeit an Boden gegenüber allen anderen europäischen Industriestaaten, sehr viele ostdeutsche Menschen in einen Vorteil bringt, weil sie einige Jahrzehnte mehr Erfahrung besitzen, mit einem niedrigem Lebensstandard auszukommen. Aber vielleicht bringt dies auch Ost und West näher zu einander im Austausch über Sparmaßnahmen wie Turmkochen, mehrere Töpfe übereinander auf den Feuerstellen, Garen der Kartoffeln nach Erhitzen auf dem Herd unter der Bettdecke, Auto-Fahrgemeinschaften auf dem Weg zur Arbeit oder zum Campingurlaub im Inland, Sitzen in Wärmestuben und Bibbern darum, was die eigene Meinung wert ist. Sollte der Austausch über Sparmethoden nicht funktionieren, funktioniert aber eins in Bälde: Arm ordnet sich deutlicher zu arm und reich deutlicher zu reich. Jetzt trennt sich, was nicht zusammen gehört. Wenn das nichts ist! Und für Freunde der deutschen Geschichte sei vermerkt: Vielleicht gelingt es so dem Monat September irgendwann, dem deutschen Schicksalsmonat November den Rang abzulaufen. Einige Daten zum Eindenken in die Materie:  11.09.1945 – Geburt von Franz Beckenbauer, der deutschen Lichtgestalt, die dann im Schatten vermeintlicher Betrügereien im Zusammenhang mit dem deutschen Sommermärchen 2006 versank, schönes Beispiel für Aufstieg und Niedergang, der einem Absturz gleicht; 11.09.2001 – Angriff auf die Twin Tower in New York, in deren Folge deutsche Soldatinnen und Soldaten dann viele Jahre in Afghanistan die westlichen Werte verteidigen halfen und so vorbereitet sind, diese Werte auch an den Ostgrenzen der EU mehr als zu sichern; 21.09.1944 – durch  eine gezielte Indiskretion wurde der Morgenthau-Plan in die Öffentlichkeit gespielt und somit denunziert und Deutschland in falsche Entwicklungen getrieben; 25.09.2001 – Der russische Präsident Wladimir Putin erntet für seine Rede vor dem deutschen Bundestag viel Lob in Deutschland, aber in den USA schlägt die Angst der amerikanischen Administration, einschließlich Wirtschaft und Militär, vor einem zu engen Verhältnis zwischen Russland und Deutschland in ein panisches Gefühl von Bedrohung um; 26.09.1983– der russische Militär Stanislaw Petrow verhindert durch Logik und eiserne Nerven die Auslösung eines Atomkrieges und so existiert Deutschland weiter; 29.09.1913 – Rudolf Diesel, der Erfinder des Dieselmotors, wird zuletzt an Bord des Fährschiffs DRESDEN auf dem Ärmelkanal bei der Überfahrt nach England gesehen, kein gutes Zeichen für die Perspektive des deutschen Dieselmotors; und dann eben der schon umfänglich erwähnte 26.09.2022. Alle Bürger (Hier obsiegt der Inhalt mal deutlich über die Erfordernisse des Genderns!) sind nun einerseits aufgerufen, den September nach weiteren geeigneten Terminen abzusuchen, und andererseits nachzusinnen, welche weiteren Daseinsverbesserungen neben den bisher genannten die Deutschen im Zusammenhang mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline erwarten werden. Und, wunderbare Aufgabe: Welche besondere Rolle können in diese Zukunft hinein die Künstler spielen?? Ja, Haltung zeigen! Aber was vielleicht noch? Haltung und nochmals Haltung gegenüber Faschisten, Rassisten und Russenfreunden. Es gibt noch viel zu tun, um den deutschen Wohlstand den Faulenzern dieser Erde zu übereignen, zu denen allen voran die Pioniere im Land zählen, die Bürgergeld-Empfänger heißen.      

Erster Blog – August 2023

Was ist ein künstlerischer Text?

Die realistische Darstellung, die Schilderung von Sachverhalten oder die Erläuterung von Zusammenhängen, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt oder ihrer Glaubwürdigkeit, gehören aus meiner Sicht nur bedingt zu künstlerischen Texten. Künstlerische Texte sollten sich entscheidend von anderen Texten absetzen, die im Alltag gebraucht werden und in den digitalen und analogen Medien. Künstlerische Texte sollen Ebenen hinter, vor und neben den tatsächlichen Dingen ansprechen. Es handelt sich um besondere Texte.

Meine Texte, die ich publiziere, verstehe ich als künstlerische.

Es sind freilich Texte, die sich an einen immer kleiner werdenden Kreis von Personen wenden. Diese Texte suchen nach Menschen, die sie rezipieren. Ich weiß nicht, wo die Personen zu finden sind, die mich lesen könnten/würden.

Möglicherweise müssen diese Menschen, die meine Texte lesen, ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich, vergleichbare Interessen realisieren und eine etwas überkommene Lebenshaltung pflegen. Ich glaube nicht, dass ich junge Leute erreiche. Aber wer ist, wann und wie lange jung?

Wenn ich diese Übereinstimmung zwischen mir und potentiellen Lesern in Worten fixieren will, treten Probleme auf und es gerät zu einem Ungefähr. Ich versuche diese mögliche Übereinstimmung zu schildern: Ich suche beständig nach einer Sinnhaftigkeit im Dasein. Ich teile nicht die Haltung, dass man nahezu alles daran messen muss/will, dass es Spaß macht oder Spaß gemacht hat. Fast eine stehende Wendung: Frage: Wie war es? Antwort: Es hat Spaß gemacht.

Das ist auf einer Linie mit der Floskel: Gleich gehen wir in die Analyse. (Dazu empfehle ich die Erzählung WARUM EINE ANNELIESE NICHT FÜR ALLE TAUGT in GESCHICHTEN ZUM ZAPPEN.)

Es gibt Dinge im Leben, die sind anstrengend, unangenehm, langweilig, schwierig und erfordern Energie, aber wenn man diese Herausforderungen bewältigt, schafft man sich Befriedigung und Erfüllung. Da wird billiger Spaß durch Sinnhaftigkeit ersetzt. Welchen Sinn das eigene Dasein besitzt, das muss man selbst definieren. Und das habe ich seit einigen Monaten getan. Ich sammle alle meine Literatur zusammen und veröffentliche einen großen Teil davon in Büchern. Diese Bücher erscheinen im Eigenverlag.

Das ist meine Aufgabe bis zum Lebensende. Sie ist für mich sinnvoll. Diesen Sinn muss ich für mich als Sinn verteidigen. Er ist fern vom Wettrennen, die Welt bunter, lauter und zerstörter zu machen.

Für mich besteht ein Sinn darin, sich beständig mit der Welt auseinanderzusetzen, ob ich darauf Einfluss nehmen kann oder nicht, aber ich positioniere mich dazu. Ich bevorzuge dabei, mich zu belesen und mit anderen Menschen zu sprechen. Und lesen und schreiben ist für mich als Mittel der geistigen Fitness durch nichts zu ersetzen und schon gar nicht durch die ständige Flut der Bilder.

Die folgenden zwei short stories passen irgendwie zu diesem Thema:

Über das Berühmtsein

Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, weltberühmt zu sein oder berühmt in einem erheblichen Umfang: Entweder man ist es wirklich und wo man steht und geht, registrieren die Leute dies mit Achtung, Interesse und zuweilen auch mit einer Aufdringlichkeit, welche alles Erscheinen in der Öffentlichkeit kompliziert macht, oder man bildet sich lediglich ein, dass man sehr berühmt ist, was den Vorteil hat, dass man seine eigene Berühmtheit ausgiebig genießen kann, ohne von anderen Personen belästigt zu werden.

Edle Bescheidenheit

Er verstand unter Literatur immer mehr und eigentlich ausschließlich, all das zu schreiben, was sich in seinem Hirn bildete, unabhängig vom Korrespondenzgrad zu einer ihm bekannten Wirklichkeit und auch unabhängig davon, ob er den Sinn des auf diese Art Geschaffenen selbst erfassen konnte. Er fürchte, sagte er eines Abends zu sich selbst, er werde irgendwann verrückt. Aber er werde es nicht merken. Im gleichen Moment begriff er, dass er es schon sein ganzes Leben nicht gemerkt hatte.

Jahre später saß er in einem großen Warteraum mit Neo Rauch, Gerhard Richter, Markus Lüpertz, Peter Handke und Durs Grünbein. Sie alle trugen je einen Koffer bei sich, denn sie hatten Einladungen erhalten, von nun an im Olymp zu wohnen. Sie  spürten in sich eine große Ernsthaftigkeit. Als eine Person aus ihrem Kreis heraus, aber man weiß wirklich nicht wer, sagte, Sloterdijk besitzt wohl keinen Briefkasten, zerriss eine gewaltige Heiterkeit die Stille im Raum. Ab dann genossen sie ihr Auserwähltsein in einer Weise, wie Kinder ihrem Spiel einen unverrückbaren Sinn geben. Endlich erschien ein Engel und flog mit ihnen in Gefilde, die allen, die dies nie erleben, nicht darstellbar sind. Sorry, doch solche Beförderungen und Erhebungen sind nicht für alle geeignet. Gleichheit hat Grenzen für die, die nicht gleichbar genug sind. Und die Künstler zählen zu jenen, denen man es am wenigsten neiden sollte, mal wohin fliegen zu dürfen.